Trotz dieser Aussage war es insgesamt ein recht erfreulicher Abend in der Akademie der Schönen Künste! Endlich kamen viele Menschen mit ihrer Kritik und ihrer Wertschätzung für die Alte Akademie zu Wort. Das war schon etwas anders als die geschmeidige Art und Weise, wie dieses Projekt bislang durchgefädelt wurde – mit dem Ergebnis einer verfahrenen Situation.
„Um die m.E. wichtigste Aussage gleich am Anfang über diesen heutigen Abend zu stellen, möchte ich ausdrücklich feststellen, dass alle Probleme mit der Alten Akademie letztlich daher rühren, dass das bayerische Finanzministerium ein Herzstück der Münchner Altstadt ausschließlich unter dem Aspekt des Maximalgewinns verkauft hat, ohne konkrete Auflagen.“ Prof. Nerdinger erinnerte auch an die schon begangenen Sünden in der Münchner Altstadt (z.B. Alter Hof) und bezog sich auf Dieter Wieland und sein flammendes Plädoyer an die Münchner Stadträte. Meike Gerchow vom Denkmalnetz stellte heraus, wie entscheidend (und deshalb auch gesetzlich gefordert) die richtige Nutzung solch alter Gebäude ist – möglichst nah an ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung. Prof. Andreas Meck, Dekan der Architekturfakultät der Hochschule München, stellte fünf Thesen vor. Sie gingen von der hohen Qualität der 50er Jahre Architektur über sinnentleerte Nutzung, die Innenstadt als Raum für Begegnung, den Präzedenzfall für Nachahmer bis zur emotionalen Bedeutung: eine klare Absage an die Umbaupläne. Es ist zu hoffen, dass diese Thesen zu einer ihrer Aussagekraft entsprechenden Veröffentlichung kommen.
Herr Stadlhuber zeigte in seinem ganzen Auftritt, wie gebriefte, auf Sieg eingeschworene Investoren-Offiziere gegenüber einer Öffentlichkeit agieren, die einfach viel Zeit braucht, die verschiedenen Gesichtspunkte und Meinungen zu sortieren, um sich zu einer gebührenden Abwehr zu sammeln. Dieses Muster lief nach folgenden Punkten ab:
1. Wir sind die Boten des Zeitgeistes und haben „naheliegenderweise“ Vorfahrt in der frequentiertesten Fußgängerzone Deutschlands. Die Alte Akademie sei derzeit eine „massive Unterbrechung des Flusses in der Neuhauser Straße“
2. Wir sind ja schon sehr, sehr weit in den Gesprächen, es geht nur noch um drei Punkte
3. Was schon ausgehandelt wurde, geben wir nicht mehr her
4. Wir sind keine „Raubritter“ sondern verkannte Wohltäter: „Öffnung des Schmuckhofs nach 400 Jahren“ (!) und gleich noch des Klosterhofs dazu
5. Alles andere ignorieren wir und lassen es ins Leere laufen
6. Es sollten jetzt keine Fronten aufgebaut werden
„Man bezeichnete es als eine ‚Unehrlichkeit‘, hinter einem historischen Akademiebau ein Geschäftshaus zu verbergen. Auch das Landesamt für Denkmalpflege verhielt sich ablehnend.“ (SZ, 1951) Das war einmal. Der amtierende Landeskonservator Dr. Mathias Pfeil forderte von Denkmälern die Weiterentwicklung und konnte mit den Plänen von SIGNA leben, sie zeigten die Früchte des Einsatzes des Landesdenkmalamtes. Fassade und Dach (plus Eingangshalle, Kantine und ein Treppenhaus oder zwei) würden ausreichend die vergangenen Zeitschichten ablesbar machen. Und eine Mini-Arkade täte dies auch. (Seine unabhängige Meinung könnte sicherlich anders sein.)
Frau Stadtbaurätin Merk sprach einmal im Nebensatz davon, dass sie hier wohl für Ambivalenz zuständig sei – was durchaus spürbar wurde. Einerseits beschwor sie die Gefahr, dass durch eine Erlaubnis der Veränderung der (immer wieder zu sagen: durch Bezahlung rechtlich gesicherten) Arkaden weitere Arkaden in der Innenstadt gefährdet würden (nur ein Teil ist verbrieft). Sie vertrat das Interesse der Bürger, Räume zu haben, die nicht konsumorientiert sind. Andererseits ist sie derzeit doch bereit, die große offene Halle im Kopfbau aufzugeben. Und Frau Merk möchte weiterhin dem Ergebnis des Architektenwettbewerbs folgen.
Der berühmt-berüchtigte SIGNA-Architektenwettbewerb
Von Frau Merk selbst wurde nun, ein Jahr später, berichtet, dass nur zwei der elf Entwürfe überhaupt sich dem Denkmalschutz vernünftig genähert hätten! Die Möglichkeit, diesen Skandal auf die Architekten zu schieben, konterte Herr Meck mit der nachvollziehbaren Erfahrung, dass sich Architekten an der Erwartung des Bauherrn orientieren würden. Die Jury hat aber das schräge Ding unter dem Vorsitz von Sir David Chipperfield zu Ende geführt: der Entwurf von Morger Partner Architekten wurde zum „Sieger“ erklärt.
Eine aufschlussreiche Passage: Mitschrift 4.April Debatte
Seitdem ist die Stadt bestimmt vorsichtiger mit dieser Art Wettbewerb, aber was hilft das der Alten Akademie? Wie wir bereits in früheren Beiträgen dargestellt haben, bedeutet der gewählte Entwurf die Aushöhlung des Ensembles und die praktisch komplette Neubefüllung einer äußeren schamhaften Hülle. Solange das von vielen Beteiligten nicht wahrgenommen oder verdrängt wird, haben SIGNA und die Verantwortlichen des bayerischen Staates in der Hauptsache gewonnen.
Um nur einen Bruchteil, um die Arkaden, geht gerade der Streit um die Baugenehmigung und der Niederschlag davon in den Zeitungen. Die Schließung der offenen Halle im Kopfbau entgegen den Vorgaben des Stadtrats ist ein so schwerwiegender Verfahrensfehler, dass das zurückgenommen werden müsste! Die Begründung, warum es trotzdem vertretbar sei, ist Frau Merk auf Frage von Prof. Nerdinger nicht gelungen:
„Und die Wettbewerbsentscheidung war, und das habe ich versucht, eben ganz kurz zu erläutern, weil man es wirklich nicht sofort versteht. Der ist sozusagen dieser Argumentation des Architekturbüros Morger Partner Architekten gefolgt, zu sagen, im Prinzip habe ich da zwei Körper, die zusammengewachsen sind und ich behandle diesen Körper Alte Akademie wieder als eine räumliche Einheit. Dafür kann man dann die anderen Dinge, die wichtig sind, besser erhalten.“ ???
Wie strategisch dagegen SIGNA arbeitet, sieht man daran, dass Herr Stadlhuber noch drei Eingriffe zusätzlich durchbringen will. Die waren vorsorglich vor einem Jahr am Ende des Preisgerichtprotokolls unter „zu prüfen“ notiert worden: Wegfall der Arkade Kapellenstraße – noch schmälere Arkade vor Hettlage – mehr Portale im Kopfbau. Dafür ist SIGNA bereit, seinen Verhandlungs“partner“ zu quälen und alles auszureizen bis an die Grenze. Es fehlt der Respekt vor der Geschichte und der bestehenden Substanz dieses Ensembles – und vor der Stadt.
Der Stadtrat Münchens hat die Planungshoheit. Er ist nicht daran gebunden, was bisher besprochen wurde. Er kann zwar den Verkauf an SIGNA nicht aufheben. Aber er kann, nachdem nun endlich angefangen wurde, das Ganze offen zu diskutieren, sich die Zeit nehmen, auf Fachleute und auf Stimmen aus der Bevölkerung zu hören. Er kann und muss das Denkmalrecht anwenden. Er kann noch einmal die Frage annehmen, wohin die Entwicklung in der Innenstadt gehen soll: Kommerz total oder wieder mehr öffentlicher Raum.