Ist das die Leitkultur? Wie geldgesteuert und gleichzeitig arm ist München doch geworden!

In den letzten 100 Jahren kam es dreimal zu großen Entscheidungen um die Alte Akademie. Das war um 1929, dann um 1950 und nun 2013/2016 wieder. Zweimal in „schlechten Zeiten“, zuletzt in einer materiell „guten“ Zeit, doch da ging es anders aus.

Das Münchner Stadtarchiv bewahrt einige Zeitungsausschnitte, die davon erzählen.

Offener Brief_Alte Akademie_1929

1929: Die Alte Akademie (Wilhelminum) ist in keinem guten Zustand, unter dem die dort untergebrachten naturwissenschaftlichen Sammlungen und Institute leiden. Es gibt den Plan, Läden einzubauen (auch zur Neuhauser Straße hin), um mit den Mieteinnahmen Erweiterungsbauten zu finanzieren. Dagegen gibt es viele Proteste, u.a. diesen Offenen Brief des Bunds deutscher Architekten und von Kulturorganisationen. Darin heißt es: „Der Wert des Wilhelminums, eines Denkmals von europäischer Geltung, beruht wesentlich auf seiner Unberührtheit als Gesamtkunstwerk. Auch der geschickteste Eingriff würde seiner Zerstörung gleichkommen.“ Weiter: „Der Staat muss der berufene Hüter ideeller Werte sein. Dem Staatsgedanken wird entgegengearbeitet, wenn er mit einer Gesinnung durchsetzt wird, der ein kleiner wirtschaftlicher Vorteil mehr gilt, als ein hoher ideeller Wert, ‚das Warenhaus mehr als das Monument‘.“ Die Läden wurden schließlich verworfen.

MM Alte Akademie 28.9.1951
1951:
Der Münchner Merkur berichtet am 28.9. das abschließende Ergebnis der Beratungen über den Wiederaufbau. Darin heißt es: „Verschiedene Entwürfe sahen u.a. vor, die Schaufenster in eine Passage und in einen im Inneren des Gebäudes liegenden Kaufhof zu verlegen. Nach diesen Plänen hätte man das Haus durch das alte Portal auf der Seite des Parkplatzes* betreten. … Nach mehreren Sitzungen des Baukunstausschusses der Stadt, der in beratender Funktion gehört wurde, lehnte man diese Vorschläge ab. Man bezeichnete es als eine ‚Unehrlichkeit‘, hinter einem historischen Akademiebau ein Geschäftshaus zu verbergen. Auch das Landesamt für Denkmalpflege verhielt sich ablehnend.“

2013/2016: Die Alte Akademie, die nun nicht mehr das Wilhelminum von vor dem Krieg ist, sondern eine gelungene Gesamtanlage aus Renaissancefassade und Wiederaufbau der 50er Jahre, wird zum Teilabriss und zur Entkernung wegen eines kleinen wirtschaftlichen Vorteils freigegeben. Es wird genau das beschlossen, was man 1951 als „Unehrlichkeit“ sah: hinter einer historischen Fassade wird ein Geschäftshaus verborgen.

Die ideellen Werte, die man in der harten Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929 hochhielt (soweit es die Alte Akademie betraf), sind 2016 in der Zeit der Großinvestoren und einer Geldschwemme so weit außer Beachtung, dass Staat und Stadt sich nicht mal mehr erinnern, welche zu haben.
Die Unehrlichkeit, die man 1951 umgeben von Ruinen nicht über sich brachte, bejubelt sich heute selbst mit einem übertünchendem Sermon von zeitgemäßer Weiterentwicklung und der Geschicklichkeit ihrer Eingriffe.
„Das Warenhaus vor dem Monument“. Die Großzügigkeit, die Liebe zur Stadt, die sich 1951 in breiten Arkaden und historisch bewußtem Wiederaufbau ausdrückte, ist einem ängstlichen, peinlichen, grenzenlosen „Verständnis“ für Investorenbelange gewichen. Der Geldanleger mit dem Spielgeld internationaler Milliardäre kann sich das Bewahren und einige Quadratmeter öffentlichen Raum nicht leisten! Seine Euro-Werte sind zum Mantra der Machtelite einer durchgeknallten kommerzialisierten Stadt geworden – auf jeden Fall der Vertreter der Stadt München in der Jury, die von Benko und Chipperfield mit dem kleinen Finger über den Tisch gezogen wurden.


* Genau an dieser Stelle (im Kopfbau gegenüber dem Brunnen) soll wieder ein Portal eingebaut werden, als Eingang zu einer neuen geschlossenen Ladenhalle, die als besonderer Clou gefeiert wird.

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