… so wird in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung das Bekleidungshaus Hettlage zur Eröffnung im März 1954 beschrieben. Und diese kulturellen Werte bestehen noch heute in ihrer baulichen Form, sind noch immer da und erfahrbar! Das Kaufhaus der 50er Jahre existiert noch! Doch seit SIGNA die Hand auf der Alten Akademie hat, wird von allen an dem Deal Beteiligten nicht mehr davon gesprochen, wohl damit es vergessen werde und still und heimlich entsorgt werden kann.
Eine von zwei ganzseitigen Anzeigen in der SZ zur Eröffnung:
Aus dem Text des redaktionellen Artikels vom 26. März 1953:
„Die Größe, Lichtfülle und vorteilhafte Aufteilung der Verkaufsräume, die vornehm, aber keineswegs luxuriös ausgestattet wurden, überrascht. Das Verkaufshaus Hettlage besteht aus Untergeschoß, Erdgeschoß, einem Galeriegeschoß und dem ersten Stockwerk, das allerdings noch ausgebaut werden muss. Eine breite Wendeltreppe schwingt sich geradezu elegant von Stockwerk zu Stockwerk, ein Zwölf-Personen-Aufzug steht den Kunden zur Verfügung. Vier schlanke Säulen tragen die Decke einer mächtigen Halle, durch den Lichthof strömt eine ungewöhnliche Lichtfülle. Reizvoll die Säulen, die von vielfarbigen Mosaiksteinchen umkleidet sind – als Material wurden glasierte Tonscherben verwendet – der Salon für Abendkleider; reizvoll auch, wie die Beleuchtung auf indirekte Weise gebändigt und geleitet wird. … München hat mit diesem Neubau an historischer Stelle ein modernes Geschäftshaus gewonnen, das keinen Vergleich mit den neuzeitlichsten Ladengeschäften im In- und Ausland zu scheuen braucht.“
Von Hettlage fast 60 Jahre geführt, blieb dieses Kaufhaus weitgehend im Originalzustand erhalten. Ein Glücksfall eigentlich! Ein Kaufhaus mit Architektur! könnte man sagen, wo sich doch moderne Kaufhäuser zu dekorierten Lagerhallen höherentwickeln. Auch bei der jetzigen Zwischennutzung als Trachtenhaus ist das gut zu erkennen, obwohl das Erdgeschoss mit Kleiderständern überfüllt ist und die anderen Stockwerke zugestellt und verdeckt sind.
So wurde es gebaut und so sah es noch vor kurzem zu Hettlages Zeiten aus:
Und so sieht es derzeit aus im Erdgeschoß mit Galerie und im leeren Untergeschoß:
Josef Wiedemann hat in München als Architekt das Odeon (heute Kultusministerium) wiedererrichtet, er hat prächtige Zentralen von Versicherungskonzernen und Kirchen gebaut – und etwas einfacher, aber für München von ebensolchem Wert, dieses Kaufhaus. Es ist vollkommen intakt (Hettlage schätzte den Investitionsbedarf 2011 auf lediglich eine Million Euro) und vielseitig nutzbar. Es ist so banal: es soll zugunsten einer Tiefgarage verschwinden. Bestimmt aber auch deswegen, weil seine vornehme Einfachheit das hohle Gepränge der heutigen „hochwertigen“ Luxustempel beschämt. Einem Konzern wie SIGNA mit seiner anvisierten „Premiumkundschaft“ muss das wie ein verachtenswertes, unmögliches Arme-Leute-Kaufhaus erscheinen – nur schnell weg damit!
Leider haben sich der Staat Bayern und die Stadt München dieser Haltung angeschlossen. Der Staat, indem er wohlwissend an SIGNA verkaufte und die Vertreter der Stadt, die sich dieser Verachtung angeschlossen haben, indem sie den drohenden Verlust verschweigen und ihre Kapitulation nicht eingestehen wollen. Stattdessen und zur Ablenkung brüstet man sich der Erhaltung von zusammengeschrumpften Arkaden und verzichtet auf die Anwendung des Denkmalschutzgesetzes.
Ein vielsagendes Detail: das „Krönchen“. Hettlage bot es damals als Anstecknadel den Kundinnen und Kunden an, die nicht das nötige Geld hatten, um zu kaufen. Sie konnten sich damit ungezwungen und ohne in ein „Beratungsgespräch“ verwickelt zu werden, die Kleider und Räume ansehen. Auch der Mensch ohne Geld wurde als Kunde betrachtet und sollte „König“ sein. Die 50er Jahre waren auch durch Klassengegensätze geprägt und nicht demokratischer als heute – aber heute kann man sich ohne Geld z.B. im Erdgeschoß des Oberpollinger nur als Fremdkörper fühlen und wird auch die ausgestellten Waren als belanglos und kurios empfinden. War es damals der Wunsch nach einem besseren Leben, das Verlangen nach Schönheit, nach Gütern, die man auch wirklich brauchte, so dient ein Kaufhaus, wie es SIGNA hier wohl vorschwebt (nach dem Muster des Goldenen Quartiers in Wien) nur dazu, einer gelangweilten und statusorientierten Mittel- und Oberschicht Geld für nutzlose Dinge aus der Tasche zu ziehen. Mit SIGNA zieht der Kult von Reichtum und Verschwendung in die Alte Akademie: er spaltet die Gesellschaft und bedeutet das Ende für eine die Gesellschaft verbindende Architektur.
Sind Ihnen im Internet schon die Anzeigen für das (nebenbei: schlecht laufende) Goldene Quartier der SIGNA in Wien aufgefallen? Die Münchner Variante könnte dann einmal vielleicht so aussehen: