Große Zeiten – Rückwärts ist Vorwärts – Hopp oder Top

Sören Jensen hat im manager magazin wieder eine Reportage über René Benko maßgeschneidert, wie schon im Dezember 2016. Wie damals groteskes Lob über familienunfreundliches, ungesundes Workaholic-Verhalten, mit Ausdrücken wie „rastloser Schwerstarbeiter“, „wie ein Besessener“. Ja, der Wahnsinns-Fleiß, aber wie war das gleich wieder mit den „Sekundärtugenden“? Wie damals wieder eine Latte von antiquierten Titelzuweisungen: „Kaiser“, „König“, „Fürst“, „Tycoon“. Man fragt sich: wie sehen diese Journalisten und ihre Leser sich und ihre Protagonisten – sektenähnlicher Realitätsverlust?

Offensichtlich hat Benko dem Artikel selber Stories beigesteuert. Eine davon geht so:
„Deutschland schleppte sich durch die letzte Januarwoche, als René Benko (41) in seinen Büroturm Upper West am Berliner Ku’damm lud. Die Führung seiner Unternehmensholding Signa und der Vorstand der Gewerkschaft Verdi trafen sich zum abendlichen Spitzengespräch, es ging um die Zukunft von Karstadt und Kaufhof, beides inzwischen im Besitz Benkos. Das Treffen dauerte mehr als acht Stunden, bis nach zwei Uhr morgens. Wenig überraschend, dass es keine Einigung gab. Die Gewerkschaftsbosse Frank Bsirske (67) und Stefanie Nutzenberger (55) opponierten pflichtgemäß gegen den anstehenden Personalabbau und die geplanten Tarifkürzungen.
Im Anschluss an die Marathonsitzung legten sich Benkos Topmanager schlafen. Nicht so er selbst. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, fasste schriftlich das Gespräch zusammen und überlegte, wie er Verdi doch von seinem Vorhaben überzeugen könnte. Um halb vier in der Früh hatten seine Mitarbeiter in ihren Postfächern die Mails des Chefs mit To-do-Listen. Und um sieben Uhr morgens saß Benko schon wieder im Büro.“
So die Ego-Perspektive des Order verteilenden Muftis – für die Belegschaft von Karstadt und Kaufhof ist die derzeitige Situation wie ein Schlag in den Unterleib.

Entlassungen – Lohnraub – Tarifflucht – rüde Methoden – Alleinherrschaft – Verdunkelung

Die Karstadt-Belegschaft wurde bereits in den letzten Jahren ausgedünnt. Nach der Tarifflucht 2011 wurde 2016 die Rückkehr in den Flächentarifvertrag bis 2021 vereinbart. Der Verlust durch Lohnstopp liegt schon bei 12% und Karstadt macht keine Anstalten, dies wie vereinbart, bis 2021 auszugleichen. Denn nun ist auch Kaufhof aus dem Tarifvertrag ausgestiegen und darüber hinaus wird noch ein „finanzieller Beitrag der Belegschaft“ gefordert. Ein Teil der Belegschaft soll durch Aufspaltung in Kundenberater und „Warenverräumer“ abgewertet werden. Viele Beschäftigte der Kaufhofzentrale in Köln werden gekündigt – dürfen sich aber für die neue Zentrale wieder bewerben. Die Beteiligung der Belegschaft an einem Warenhauskonzept wie sie von verdi gefordert wird, ist das Letzte, worauf sich die Chefetage freiwillig einlassen wird. Genauso wenig wie sie die Verschleierung von Immobilienbesitz und Mieten lüften wird. (Das sind nur Stichpunkte, bitte informieren Sie sich eingehender in den Medien, z.B. hier oder hier.)
Das Management von Signa bei Karstadt und Kaufhof steht absolut konträr zur Belegschaft. Das SIGNA-Modell von Offizieren und Mannschaften kann wohl am besten als modernisierte k. u. k. Militärmaschine verstanden werden (kaiserlich königlich …). Wir wünschen der Belegschaft der Warenhäuser, dass sie sich durch Widerstand gegen diese Pläne ihre Würde erhalten kann!

Eine andere Geschichte schreibt Jensen nach seinen heißen Informationen so nieder:
„Über einen Zusammenbruch des noch jungen Imperiums, etwa in einer neuen Finanzkrise, muss man sich wohl keine Gedanken machen. Den Immobilienbesitz von mittlerweile 14 Milliarden Euro finanziert der Aufsteiger konservativ – mit nur knapp 50 Prozent Fremdkapital. Der Zinssatz ist im Schnitt 17 Jahre lang gebunden, branchenüblich sind sechs Jahre. Den Elbtower hat Benko bereits auf 25 Jahre durchfinanziert. Er zahlt kaum mehr als 2,5 Prozent Zinsen per annum.“

Und das Jahre vor dem womöglichen Baubeginn – wer kennt die Wahrheit? In der Hamburger Morgenpost liest sich das nämlich anders:
„In der Tat scheint Signa äußerst potent, kauft mal eben für angeblich 110 Millionen Euro die Gänsemarkt-Passage, will sie abreißen und einen Neubau errichten. Für das Elbtower-Grundstück soll Benkos Firma 120 Millionen Euro hingeblättert und andere Investoren aggressiv überboten haben.
Das lässt aufhorchen. In der Bau-Szene wird sein Vorgehen kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen. Warum? Weil Benko volles Risiko geht, auf niedrige Zinsen setzt. Sollte die Immobilien-Blase jedoch platzen, wäre seine Firma wohl am Ende, sagt die Konkurrenz.“

Nach „vielen Treffen“ mit Benko ist Jensen seinem Held so nah, dass er dessen Einstieg in österreichische Zeitungen als „Hilfe“ idealisieren möchte:
„2018 – Kronenzeitung: Mit seinem ersten Medienengagement will Benko helfen, die lähmende Blockade unter den Verlegerfamilien des Wiener Traditionsblatts aufzulösen.“
Völliger Unsinn, der Streit ist nur heftiger und öffentlich geworden. Hans-Peter Siebenhaar vom Handelsblatt sieht die Aktion im Zusammenhang mit dem System von „message control“ des österreichischen Kanzlers Kurz:
„Denn der ehemalige Jura-Student hat mit Dutzenden seiner Getreuen an den Schaltstellen der politischen Macht das System der „message control“ eingeführt. Für die österreichischen Medien wird seitdem ein minuziöses Drehbuch mit ausgewählten Inhalten geschrieben. Kein Wort wird dem Zufall überlassen. (…) Für die österreichischen Medien im Land ist das System der „message control“ hingegen ein Desaster. Sie drohen zum Dienstleister der politischen Macht zu werden. (…)  Ohnehin ist der Kurz-Freund und Immobilienmilliardär René Benko beim „Kurier“ und der „Kronen Zeitung“ als Gesellschafter eingestiegen. Das verbindet. (…) In dieser Woche fragte mich ein international erfahrener Diplomat in Wien, ob Österreich immer stärker an Osteuropa heranrücke. Im Hinblick auf die Medien ist das bereits der Fall – zum Nachteil einer lebendigen und pluralistischen Demokratie.“

Und die letzte Story, die wir kopfschüttelnd zitieren:
„2019 – Alte Akademie. Beginn des Umbaus beim früheren Jesuitenkolleg in München. Das Gebäude in bester Citylage soll Geschäften und Wohnungen, aber auch Kunst und Kultur Platz bieten.“
Ja, lieber Herr Jensen, Signa-Infos sollte man schon auch mal überprüfen. Null Kunst und Kultur und vor dem vorweggenommenen Baubeginn kommen noch die Einsprüche aus der Münchner Bevölkerung im Bebauungsplanverfahren und die Baugenehmigung.

 

– 100 Jahre nach dem Abgang des Adels –
(Foto aus dem Film „Der Untertan“ nach dem Roman von Heinrich Mann)

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