„Auf den Spuren der Gier“

Die Süddeutsche Zeitung berichtete gestern im Rahmen der Serie der Pandora Papers über das Münchner Palais an der Oper. Derzeitiger Eigentümer: unbekannt – über eine Kaskade von Briefkastenfirmen verliert sich die Spur bei russischen Oligarchen. 

Ein vielköpfiges Profi-Rechercheteam kann nicht herausfinden, wem dieses historische Erbe der Stadt gehört! Geschweige denn könnte es eine Privatperson, die nur als Betroffene z.B. Einsicht in Grundbücher nehmen kann, aber selbst das hilft wie hier oft nicht weiter. Banken geben sowieso keine Auskunft. Der ganze Immobilienbereich ist ein einziges Geschäftsgeheimnis – nach aussen, denn der Klüngel der Immobilienbesitzer und -entwickler kennt sich – und der Oberbürgermeister will lieber erst gar nicht fragen und macht den Zuschauer: „Dieter Reiter findet das durchaus bedauerlich. ‚Aber wenn die Stadt nicht selbst Eigentümer dieser Immobilien ist, können wir nur indigniert zuschauen bei solchen Verkäufen.‘ “ (SZ

Erbaut als Adelspalast im 18. Jahrhundert, dann teilweise umgestaltet durch Leo von Klenze … Beim Umbau zur Spekulationsverwertung wurde viel historische Substanz vernichtet. „Historisches Ambiente mit Neubauqualitäten“ (so die Webseite) und Residenzen für scheue Bewohner

Aber es sind nicht nur Scheichs, Mafiosi, russische Milliardäre, die Lücken in unserem Rechtssystem ausnützen würden um Geld zu waschen oder in Sicherheit zu bringen. Es ist ein Dickicht, das von den Superreichen unseres Landes im Schutz aller bisherigen Regierungen aufgebaut wurde und mindestens genauso ausgenützt wird – schauen wir auf die Alte Akademie.

Wem gehört die Stadt – und wem gehört nun eigentlich die Alte Akademie?

René Benko, der 2013 vom Staat Bayern den Pachtvertrag bekam, nützt diese Geheimwelt wie kein Zweiter. Er arbeitet mit hunderten Briefkastenfirmen, mit Steueroasen, Stiftungen und Schachtelkonstruktionen. So wird auch der Blick darauf verhindert, wer da mit im Boot sitzt. Die Geldgeber stehen ja Schlange, wenn auch nicht immer die appetitlichsten:
Die Alte Akademie wurde wie sein Einstieg in Kaufhausimmobilien zuerst mit dem Geld des „Diamantenkönigs“ Beny Steinmetz finanziert. Steinmetz ist wieder raus, was aber nicht ganz sicher ist; konnte ausbezahlt werden… Bezeichnend: Er wurde im Januar in Genf wegen Bestechung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt. 

Dann brachte die Schweizer Falcon Bank arabisches Geld, deren CEO Eduardo Leemann wurde SIGNA-Beirat. Falcon ist auch wieder raus, Leemann steht gerade wegen Geldwäsche vor Gericht.

Es ist bekannt, dass Benko üblicherweise nur die Hälfte an den Trophäen seines Imperiums selber hält. So gehört z.B. der Oberpollinger zu 51% dem Handelskonzern Thai Central Group, das ist bekannt. Wer am ehemaligen Hertie am Hauptbahnhof beteiligt ist, ist dubios, da hatte addendum recherchiert, als es dieses kritische Portal noch gab. Oder der Wolkenkratzer in Manhattan gehört zur Hälfte der RFR Holding… 

Wer ist Teilhaber Benkos an der Alten Akademie? Es wäre das gute Recht aller Münchnerinnen, wenn sie an der Alten Akademie vorbeigehen, zu wissen, wer da aller mit drin steckt. Aber vielleicht hat Benko auch keinen Geldzuschießer mehr gefunden, der in das absehbare Millionengrab investieren wollte. Alles nur Gedankenexperimente …

Die Alte Akademie nach eineinhalb Jahren „behutsamer“ Bauzeit: Erst im Inneren ausgeschlachtet, werden jetzt die Fundamente tiefer gelegt für Verkaufsräume im Keller. Die Fassade des Hettlageteils wird abgefangen zum Innenabriss und Bau einer Tiefgarage. – Briefkästen wie diesen in München hat Benko in vielen Städten.  

Anmerkung: Nach der Telecom war der letzte hiesige Besitzer des Palais an der Oper die Münchner ACCUMULATA Real Estate Group GmbH, die nach Umbau 2012 das Gebäude meistbietend für 300 Millionen verkaufte. Im Beirat der Accumulata sitzt auch der wichtige, nur nicht so bekannte Günther Koller, u.a. Vermögensverwalter des Finck-Clans und Beirat von Benkos SIGNA. Das ist Netzwerk …

„Was hat das mit mir zu tun?“

Wir alle sind gesellschaftliche Wesen, wir brauchen das, was kluge Leute Kohärenz nennen: 

„Zur Kohärenz gehören drei Aspekte: die Fähigkeit, die Situation in der man ist, zu verstehen – also das Gefühl der Verstehbarkeit; weiterhin die Überzeugung, dass man das eigene Leben gestalten kann – das Gefühl der Handhabbarkeit; sowie schließlich der Glaube, dass das Leben einen Sinn hat – das Gefühl der Sinnhaftigkeit.“ Zitiert nach Götz Eisenberg, Zwischen Anarchismus und Populismus

Du weißt nicht mehr, wer die Stadt besitzt, Du weißt nicht mehr, wem das Haus gehört, in dem du zur Miete wohnst, Du weißt nicht mehr, wer die Firma besitzt in der du arbeitest und Du weißt nicht mehr wer deine Daten hat – in dieser Schreckenszukunft sind wir schon mitten drin.

Austauschbare Charaktermasken des Geldes unterminieren unsere Freiheit, die Gesellschaft bewusst und demokratisch zu gestalten

Die immer undurchsichtigeren Eigentumsverhältnisse gebären nicht nur der Geld- und Machsucht verfallene Zombies. Sie erzeugen tiefe Unsicherheit beim großen Rest der Menschheit: was man nicht verstehen kann, nicht beeinflussen kann, was den Glauben an den Sinn von Gesellschaft nimmt, schafft Angst und treibt die Menschen zu Ressentiments und Verzweiflung: Nährboden für AfD, die Söders und Lindners… zur Hoffnung auf Autorität und einen starken Staat, während genau dieser das Treiben der Oligarchie fördert! 

Falsche Feindbilder werden geschaffen und Gruppen von Menschen gegen andere instrumentalisiert um davon abzulenken, dass die Grundstruktur einer demokratischen Gesellschaft durch maßlose Anhäufung von Besitz zersetzt wird. Die Eigentumsverhältnisse sind der Knackpunkt. Die Oligarchie wird die Welt in den nächsten Crash treiben, wenn sie nicht gestoppt wird, davon kann man ausgehen. Die Pandora Papers lesen heißt, alle Illusionen zu verlieren und dafür wird es höchste Zeit.


Jetzt scheinen aber viele Namen in den Pandora Papers zu fehlen, kritisiert Werner Rügemer in den Nachdenkseiten. Z.B. BlackRock (da kommt Friedrich Merz her) und die wichtigsten Steueroasen wie Delaware (in denen sich auch Benko tummelt) fehlen ….

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