Das Preisgericht hat einen Entwurf zum Sieger gekürt. Ein Stararchitekt, die Vertreter der Stadt und des Denkmalschutzes sind begeistert und die Presse hat das getreulich so weitergegeben, wie es präsentiert wurde.
David Chipperfield: „Heute ist ein sehr guter Tag für München und die Menschen dieser Stadt! Der Siegerentwurf von Morger Partner Architekten wird die Alte Akademie in neuem Glanz erstrahlen lassen und die pulsierende Innenstadt von München zusätzlich aufwerten.“
Stadtbaurätin Prof.(I) Elisabeth Merk betont, dass “sich alle Teilnehmer der Jury des historischen Erbes der Stadt München und seiner Gebäude sehr bewusst waren und sie mit dem Zuschlag für Morger Partner Architekten eine hohe Verantwortung im Umgang mit der historischen Bausubstanz bewiesen haben.“
SIGNA-Geschäftsführer Christoph Stadlhuber ist deshalb über das Ergebnis des Wettbewerbes besonders erfreut und betonte: „Wieder einmal zeigt sich anhand des Realisierungswettbewerbes für die Alte Akademie, wie sehr eine enge Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Öffentlichkeit, Politik, Denkmalpflege und einem privaten Investor zu einem hervorragenden Ergebnis für alle Beteiligten führen kann.“
Wirtschaftliche Interessen und Schutz des historischen Gebäudes in Einklang gebracht – Alles gut? Wir meinen, „Mogelpackung“ wäre eine viel zu harmlose Umschreibung.
Als ersten Zeugen und Hellseher rufen wir Sebastian Scheele auf. Er war der Immobilienberater, der im Auftrag des Staates Bayern den Verkauf der Alten Akademie vermittelt hat. Sein Beruf ist wie kein anderer mit Realismus ausgestattet, mit scharfem Blick darauf, was ein Gebäude hergibt und was die Kunden im Innersten wünschen. Im robusten und unsentimentalen Urteilsvermögen liegt die wahre Kompetenz seiner Profession.
Im Interview mit dem Immobilienberater vom 5. April 2014 sagte Herr Scheele:
Ein kompletter Neuaufbau (…) ist wirtschaftlich wahrscheinlich einfacher, als die bestehenden Gebäude im Ist-Zustand zu entkernen, die Struktur anzupassen und dann zu sanieren. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die Behörden insbesondere mit der Zufahrts- und Stellplatzproblematik einem Teilabriss – des Wiedemann-Anbaus – zustimmen werden (…).
In diesen zwei Sätzen fasste er bereits im Vorfeld exakt das tatsächliche Ergebnis zusammen:
Die Gebäude der Alten Akademie (Neuhauser Straße 8) werden entkernt, ihre Struktur angepasst und saniert. Das Hettlage-Gebäude („Wiedemann-Anbau“) wird abgerissen, die Fassade bleibt und die verkleinerte Arkade wird integriert.
Die Dichtungen des Preisgerichts wollen wir vollkommen außen vor lassen und befragen als zweiten und letzten Zeugen die gezeichneten Pläne des Wettbewerbssiegers Morger Partner Architekten, wie sie auf der Webseite von SIGNA veröffentlicht sind. Die Pläne des Ist-Zustands wurden leider nicht veröffentlicht, was aber zum Vergleichen natürlich notwendig wäre. Wir haben sie noch nicht einsehen können, hatten aber die Gelegenheit eines Rundgangs durch Teile der Gebäude (wie auch Mitglieder der Münchner Forums). Und wir beschreiben und bewerten hier nicht, was neu hinzugefügt wird, sondern allein, was mit dem Bestehenden geschehen soll.
Positiv gesagt:
– Die Fassade der Alten Akademie zur Neuhauser Straße bleibt erhalten und wird denkmalgerecht saniert. Die Fassaden des Schmuckhofes werden denkmalgerecht saniert vom 2. bis 5. OG. (Die eindrucksvolle geschlossene Fensterfront wird allerdings durch Loggien ersetzt, d.h. die Fensteröffnungen werden „ausgestanzt“ und durch dahinterliegende Glaswände ergänzt.)
– Die Dachlandschaft bleibt weitgehend erhalten (Einschränkung: große Dachgauben für die Wohnnutzung der Dachgeschoße im Schmuckhof).
– Die Fassade des Hettlage-Gebäudes bleibt zweiseitig erhalten und wird denkmalgerecht saniert. Die Arkade wird verschmälert und materiell in Gestalt der Säulen und des Bodenbelags erhalten.
– Der Bodenbelag des Schmuckhofes bleibt erhalten.
– Vom Inneren bleiben erhalten und werden denkmalgerecht saniert: Die Eingangshalle, ein Treppenhaus und der Kantinensaal.
Negativ gesagt:
– Die Gebäude der Alten Akademie mit Schmuckhof werden entkernt. Die Innenwände, die einer durchdachten und variablen Verwaltungsnutzung entsprechen, werden abgebrochen und für Einzelhandel, Gastronomie, Büros und Wohnungen neu gesetzt. Die Treppenhäuser und Erschließungen werden komplett neu gemacht. Mehrere Geschossdecken werden neu eingezogen und die Untergeschosse tiefer gesetzt. Die grossen Räume der Bibliotheken und des Rechenzentrums kommen weg. EG und 1. OG des Schmuckhofes werden zusammengelegt und völlig neu.
Die gesamte Struktur wird somit verändert. Aus einem Gebäude der 50er Jahre wird im Inneren etwas ganz anderes, ein Gebäude nach heutigem kommerziellen Standard*.
– Das Hettlage-Gebäude mit einem Kaufhaus der 50er Jahre wird abgerissen und ein neues über einer zweigeschossigen Tiefgarage errichtet. Der offene Durchgang von der Kapellenstraße her wird zu einer eingehausten Tiefgaragenzufahrt.
Diese Aufstellung ist sehr nüchtern (nüchterner als uns lieb ist), um die Veränderungen rein nach der plangezeichneten Entwurfslage darzustellen. Die Jury musste nach den Spielregeln einen der Entwürfe nehmen und auch erstmal so, wie er eingereicht wurde. Daran werden noch sicher größere Veränderungen vorgenommen. Das Protokoll der Preisgerichtssitzung spricht von einem „wertvollen Lösungsansatz“, von einer „Reihe funktionaler Defizite“ und stellt die Arkade zur Seite der Kapellenstraße auch noch zur Disposition. (Diese institutionalisierten Architektenwettbewerbe als Weg zur Wahl der Gestaltung eines Bauwerks sind kritisch zu sehen. Eine gelingende Kooperation von Bauherren, Baumeistern und Bevölkerung müsste andere Wege gehen.) Letztendlich wird, wenn es so kommen sollte, alles erst mit der Baugenehmigung festgelegt, die von SIGNA für Anfang 2018 erwartet wird.
* Was ist heute der Maßstab aller Dinge? Der SUV-Fahrer. Keine Satire! Herr Scheele verrät auch das in dem oben angeführten Interview und wahrscheinlich hat er ja Recht:
„Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass wenn jemand eine Wohnung im Erbbaurecht erwirbt oder anmietet – in dieser Lage und in diesem Preissegment – seinem SUV einen Duplex-Parker oder Parkroboter akzeptieren wird können. Gleiches gilt für die Übernachtungsgäste bei der Realisierung eines Hotels oder die Büromieter, die trotz erstklassiger Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sicher auch unkompliziert vor Ort parken wollen. Auch die Anordnung der Fenster – bezüglich Höhe, Lichteinfall und Anzahl – entspricht nicht den heutigen Standards, sie sind aber gemäß den behördlichen Auflagen nicht veränderbar. Auf der einen Seite wird eine hohe Wohnraumquote gewünscht, aber Balkone oder Dachterrassen sollen nicht entstehen. Auch hieran werden sich Münchner SUV-Fahrer oder Hotelbetreiber stören.“
Noch so ein vielsagendes Detail am Rande:
Die verschiedenen Entwürfe der Architekten sind von SIGNA mit deren eigenen Worten auf der Webseite präsentiert. Durch die gemachten Vorgaben sind sie alle recht ähnlich. Bei Ortner & Ortner Baukunst wird ein Wort mal so gelöscht – die Architekten waren wohl zu ehrlich und haben sich im Wortcode vergriffen. Welches verräterische Wort könnte das sein?
Zensiert auf der SIGNA-Webseite:
Ortner & Ortner Baukunst auf der eigenen Webseite:
Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen
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