Der große Erzähler Charles Dickens bereiste 1842 die nordamerikanischen Staaten und fand dort einen Typus vor, der noch heute seine Mitmenschen blenden kann, weil die gesellschaftlichen Voraussetzungen es noch immer erlauben, auf Kosten anderer den dicken Mann zu spielen.
„Ein anderer Charakterzug ist die Lust am „smarten“ Handel, die manche Schwindelei und manch groben Treuebruch beschönigt, manchem Schurken die Macht gibt, sein Haupt höher zu tragen als ein ehrlicher Mann, obgleich er den Galgen verdient – aber diese „Smartness“ hat ihre Früchte getragen, denn sie hat in wenigen Jahren dem öffentlichen Ansehen mehr geschadet als die einfältigste, unbesonnenste Ehrlichkeit in einem Jahrhundert vermocht hätte. Mutwillige Bankrotteure und glückliche Schwindler werden nicht nach der goldenen Regel „Handle so, wie Du behandelt werden möchtest“, sondern nur nach ihrer „Smartness“ beurteilt. Ich entsinne mich, dass mir beide Male, als ich an jenem unseligen Cairo am Mississippi vorbeifuhr und von den schlimmen Folgen sprach, die solch grobe Betrügereien haben müßten, wenn sie ans Tageslicht kämen, erwidert wurde, es sei doch ein „smartes“ Unternehmen gewesen, mit dem ein gutes Stück Geld verdient worden sei: und das „Smarteste“ sei gewesen, dass man die ganze Geschichte gar bald vergessen und wieder zu spekulieren angefangen habe wie früher. Folgenden Dialog führte ich mehr als hundertmal mit Amerikanern: „Ist es nicht eine Schande dass der Soundso durch die infamsten und abscheulichsten Mittel zu einem großen Vermögen kommt und trotz all seiner Verbrechen unter euch Bürgern geduldet wird? Ist er nicht ein öffentliches Ärgernis? Wie?“ – „Ja, Sir.“ – „Ein überführter Lügner?“ – „Ja, Sir.“ – „Er hat schon Fußtritte bekommen und Stockschläge?“ – „Ja, Sir.“ – „Er ist ein ganz ehrloses, niedriges und verworfenes Subjekt?“ – „Ja, Sir.“ – Nun denn, um Gottes willen, worin besteht sein Verdienst?“ – „Ja, Sir, es ist doch ein smarter Kerl.“
Charles Dickens, Amerika, Verlag Winkler
