Die „strengen Vorgaben“ der Stadt München – ein ganz großes Missverständnis

Der Bezirksausschuss Altstadt/Lehel ist – völlig zu Recht – misstrauisch gegenüber SIGNA, dass der umtriebige Immobilienkonzern noch mehr rausholen will, als ihm schon zugestanden wurde. (Letztlich heißt das natürlich, dass auch aufgepasst werden muss, dass das Planungsreferat nicht noch mehr hergibt – was ebenso gut möglich ist).
Kurzer Bericht in der Süddeutschen Zeitung vom 10. August 2016.

Die Sache ist aber noch mal ganz anders:
Die Vorgaben, die die Stadt machte, sind in Wirklichkeit eine Vereinbarung zur weitgehenden Zerstörung der Alten Akademie – denn selbst wenn Fassade und Dach (auch das nur teilweise) erhalten bleiben sollten, würde die Alte Akademie auf jeden Fall ihren Charakter verlieren

Als Aktion gegen den faulen Zauber müssen wir vorausschicken, dass wir uns erst seit Frühjahr mit der Alten Akademie beschäftigen; die Zusammenarbeit zwischen Stadt und SIGNA wurde aber schon letztes Jahr ausgehandelt. Genau nach diesem Übereinkommen lief der Architektenwettbewerb ab. Wir dachten im April, die Stadt hätte sich einen Rest Handlungsspielraum vorbehalten, doch wurde im SOFITEL-Hotel bloß das vorletzte Ja-Sagen abgeleistet (ein Stadtratsbeschluss und die Baugenehmigung stehen noch aus).
Es ist noch unglaublicher, als selbst wir es für möglich hielten.

Deshalb zurück in den November. Die CSU München hatte absolut keinen Erklärungsbedarf zur Alten Akademie (bis heute), weil die Privatisierung eines bedeutenden historischen Gebäudes als quasi geheime bayerische Staatsaktion des ellenbogenstarken möglichen neuen Vorsitzenden jedes Wort von vorne herein verbietet – also geräuschlos durchziehen.
Die GRÜNEN interessiert dieser Themenbereich leider generell nicht. Aber dafür gibt es Stadträte, die bei den Entscheidungen halt mit dabeisitzen und eine gute Figur machen.
Bei der SPD ist es bisschen anders, denn obwohl ihr Personal immer noch angepasster wird, gab es sehr wohl Landtagsabgeordnete, die sich für die Alte Akademie als Zentrum des Wissens oder als Verwaltungsstandort eingesetzt hatten (hier 2007 und 2012). Auch der Wirtschaftsausschuss des Stadtrats war eigentlich für eine solche Nutzung gewesen.

Das muss erst einmal vergessen werden! Dann die Situation als alternativlos hinstellen („der Vertrag wurde unterschrieben, leider“) und dann muss der Anschein erzeugt werden, man hätte in zähen Verhandlungen alles menschenmögliche versucht – während man als gute, beflissene Untertanenpartei nur eine Geschichte erfunden hat, mit deren Erzählung man erstmal nach aussen hin nicht zugeben muss, dass dem Investor freiwillig alles gegeben wurde, was er wollte. Obwohl Stadtrat und städtische Behörden eigene Zuständigkeit und Verantwortung haben für Gestaltung und Flächennutzung in ihrem Bereich – man nennt es Stadtplanung – und sie sich nicht zum Ausführungsorgan des (Amigo)Staates machen müssen!
Christian Amlong gab auf der Webseite der SPD-Stadtratsfraktion nachfolgende Presseerklärung heraus. (Er war dieses Jahr auch Mitglied der Jury des Architekturwettbewerbs von SIGNA für ihre Pläne mit der Alten Akademie.)

SPD Amlong Alte Akademie

Hier wäre der angesprochene Beschluss des Stadtrats zu finden.

Die garantierten vier wesentlichen Punkte:

  • Die Fassade zur Fußgängerzone hin bleibt unverändert
  • Eingriffe in die Dachlandschaft sind tabu
  • Nutzungsmix mit 30 Prozent Wohnungen sowie kleinteiligem Einzelhandel
  • Zugänglichmachung des Schmuckhofes

Wer wollte denn die Fassade verändern?  SIGNA braucht sie, weil SIGNAs pseudo-noblem Shopping-Projekt durch eine noble Fassade geholfen wird, ein hochwertiges Kauferlebnis zu suggerieren. – Wer dürfte denn die Fassade verändern?  Niemand, denn so viel Denkmalschutz gibt es in Bayern schon noch. – Wer käme überhaupt auf die Idee, die Fassade zu verändern?  Nur ein dämlicher, geschichtsvergessener Tropf. Im übrigen würde eine Neugestaltung der Fassade praktisch einem Neubau gleichkommen. Und bevor es soweit käme, würde sogar die Münchner Bevölkerung mobil werden.
Neben großen Veränderungen können auch viele kleine Veränderungen mit neuen Fenstern, neuem Putz oder Reklamebrimborium der Fassade schaden. Es wurde von denkmalgerechter Sanierung gesprochen – darauf wäre zu achten, wenn es soweit kommen sollte.

Die Dächer der Alten Akademie sind bereits durch den Ensembleschutz der Münchner Innenstadt gesichert (wenn man diesen ernst nimmt). Sie sind noch mehr tabu durch die Eintragung der Gebäude als Einzeldenkmale. Und sie sind absolut tabu, weil sie neben der Michaelskirche stehen, und weil solche Gebäude eben solche Dächer haben!  Sie sind nicht tabu wegen der Verhandlungskünste von Planungsreferat und Stadträten. Ganz im Gegenteil, siehe unten.

Wohnungen in der Innenstadt – gute Sache! Wenn es Wohnungen für z.B. Hotelangestellte oder für den Querschnitt der Bevölkerung wären! Kein Gedanke daran – das ist doch ein Filetstück und nichts für Gemeine. Der SPD ist klar: das ist dem Höchstpreissegment vorbehalten – ist das jemand etwa nicht klar? Für sündteure Wohnungen muss man natürlich alles rausreißen, Loggien in die Wand stanzen, Riesengauben drauf setzen und fast nichts bleibt. Nebenbei gehören Wohnungen sowieso zur angestrebten Immobilienverwertung, denn z.B. im 3. Stock des Rückgebäudes kann man schlecht was verkaufen.  „Kleinteiliger“ Einzelhandel sagt überhaupt nichts, außer dass es kein Kaufhaus wird. Alle Edel-Schnick-Schnack- und Klamotten-Läden sind kleinteiliger Einzelhandel. Was erhalten werden muss ist der ortstypische Handel mit nützlichen und schönen Dingen, der von Konzernen wie SIGNA verdrängt wird und deshalb ist er auch nicht gemeint.

„Erreichbarkeit“ des Schmuckhofes – dem könnte man sich anschliessen. Wer reingehen und die Ruhe einer Oase in der trubeligen Fußgängerzone geniessen will, sollte das machen können. Mit den notwendigen Renovierungsmaßnahmen und einem Durchgang wäre die Sache getan. Wenn dagegen die Erreichbarkeit des Schmuckhofes einer Firma übertragen wird, die aus allem ihren Honig saugen will, hat man klassisch den Bock zum Gärtner gemacht – der Hof wird so kommerzialisiert und in die Mangel genommen, dass er einmal der Schmuckhof gewesen ist.

Schmuckhof Alte AkademieEin buntes Potpourri von gravierenden Eingriffen. Mit dem heutigen Schmuckhof hat das nichts mehr zu tun. (Computerdarstellung des Wettbewerbssiegers Morger Partner Architekten)

Alles zusammen heißt: die vier Punkte, die Herr Amlong für den Verhandlungspartner Stadt München formuliert hat, sind entweder substanzlos oder zum Schaden der Alten Akademie.

Es geht noch viel weiter, denn die Konstruierung dieser „Vorgaben“ nimmt ja die Stelle ein, an der die Stadt um den Erhalt der Gebäude hinter der Fassade und unter dem Dach hätte kämpfen müssen und hätte kämpfen können. Denn der Denkmalschutz fordert eine Anpassung der Nutzung an die vorhandenen Gebäude und den Erhalt des Inneren, nicht nur der äußeren Erscheinung. Der Plan von SIGNA dagegen ist eine totale Nutzungsänderung mit Abriss des Hettlage-Gebäudes und einer 95%-Entkernung der Alten Akademie. Um das zu verhindern, müsste man sich nicht einmal auf den Denkmalschutz berufen: nachdem die Alte Akademie mit dem ausgezogenen Landesamt für Statistik als Verwaltungsfläche im Flächennutzungsplan eingetragen wurde, bräuchte man nur das so zu lassen wie es ist und würde damit nach Vernunft und mit einer Idee von Stadtgestaltung handeln.

Mit der Entkernung der Alten Akademie wird ihr Charakter unwiederbringlich verloren gehen.  So wie in einer Burg, Fabrik oder alten Scheune die Mauern, Pfeiler, Balken oder Bemalungen einen sinnlich erfahrbaren Eindruck geben, wie es früher war, wie unsere Vorfahren gelebt haben, was sie alles konnten und vielleicht besser machten als wir in unserer Zeit, so kann die Alte Akademie an uns weitergeben, wie man nach dem Krieg vornehme Kaufhäuser baute und einfache, gut nutzbare und in typischer 50er Jahre-Art geschmückte Verwaltungsbauten. Als solche wären sie kein Museum mit angehaltener Zeit, sondern könnten mit derselben oder ähnlichen Nutzung gut weiterleben. Nach Umsetzung der Pläne von SIGNA wird es keinen Charakter mehr geben, sobald Sie als Besucher das Gebäude betreten haben – es sei denn, sie wollen einer noch so hochpreisigen Bauart von 2018 Charakter zubilligen.

Abriss und EntkernungDer Charakter eines Gebäudes ist an Materie gebunden.

Alle früheren Versprechungen sind in die Luft entschwebt.  Wie so häufig (man denke nur an die Massakrierung von Pasing in den letzten Jahren) wurden zuerst Blumen gestreut, was da alles an Positivem gemacht würde: Belebung der Altstadt durch Wohnungen,  reservierte Flächen für örtliche Geschäfte, Raum für Kultur und Wissensinstitutionen würde bleiben … Von diesen leise angedeuteten Versprechungen des Stadtratsbeschlusses von 2005 ist nichts, aber auch gar nichts geblieben:

Anteil für bezahlbaren sozialen Wohnungsbau          0%
Anteil für begünstigten örtlichen Einzelhandel          0%
Anteil für Kultur, Bildung und bezahlfreien Raum     0%

Anteil für Kommerz und Renditemaximierung      100%

Zu den Veränderungen an den Gebäuden: Anhand der nachfolgenden Auszüge aus dem Stadtratsbeschluss von 2015 können Sie ersehen, wie aus dem rechtlich vorgegebenen und möglichen Schutz der Alten Akademie beim Umblättern Beihilfe zur Zerstörung wird.

X = U,  Tabu = großzügige Ausnahmen,  Erhalten = Neuinterpretation,  Schwindel = Wahrheit.
Mehr an Wortverdrehung und Täuschung ist kaum möglich:

Stadtratsbeschluss Seite 4 und 8

Stadtratsbeschluss Seite 7 zu Dach

Stadtratsbeschluss Seite 8 Arkaden

Eine abgeschnittene und verschmälerte Arkade als Neuinterpretation und die Stadtvertreter schreiben sich das als Erfolg zu! Nebenbei, sie ist auch Teil der Fassade des Kopfteils der Alten Akademie: mit dem Verkürzen der Arkade wird der Durchgang geschlossen und ein Eingangsportal versetzt bzw. neu gebaut – aber die Fassade ist ja geschützt …

Lassen wir es an der Stelle. Wir wünschen den Stadtviertelvertretern des Bezirksausschusses, dass sie ihren eigenen gesunden Alltagsverstand verwenden mögen, auf was anderes ist eh nicht mehr Verlass. Dazu die Bereitschaft, Verantwortung anzunehmen und die Freiheit, sich empören zu dürfen wenn es sein muss!

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