Während es um die Alte Akademie sehr leise geworden ist (nach dem Baustopp vor fünf Monaten) hat das Wirtschaftsreferat der Stadt München kürzlich eine Studie präsentiert, die es in sich hat: Münchner Innenstadt – Status quo und Perspektiven des Wirtschaftsstandorts.
Darin wird auch eine Befragung der Ladenmieter*innen der Innenstadt wiedergegeben. Vorher erinnern wir uns noch an den Mietenskandal um Benkos Galeriastandorte: Kaufhaus aussaugen – um sich selber und den mit Schneeballsystem angelachten Geldgebern hohe Dividenden zu zahlen! Z.B. am Münchner Rotkreuzplatz musste Galeria als Ladenbetreiber 17,4 Prozent Umsatzmiete berappen … viel zu hoch, Galeria Rotkreuzplatz gilt deshalb als von Schließung bedroht.
Wie steht es da in der Münchner Innenstadt?
Wie Benko und krasser als Benko!

Bei vier von zehn Ladenlokalen nehmen die Immobilienbesitzer noch mehr wie Benko, nur eins von zehn hat eine ausgewogene Mietbelastung. Diese benkomäßigen Ladenmieten der Innenstadt werden oft als Zeichen der Blüte Münchens dargestellt – sie sind ein Zeichen für eine Wirtschaftsordnung, in der nur gilt: wer hat der hat und nimm soviel du kriegen kannst, auch wenn du deinen Mieter*innen damit die Luft abdrückst! Ladensterben und hohe Fluktuation sind die logische Folge. Das ist nicht schön, aber Wiesnwirte, Family Offices und Hausbesitzerdynastien stehen außer Kritik. Deshalb noch mehr Kundschaft in die Innenstadt treiben, vor allem die mit dicker Brieftasche – die Flucht nach vorne, ins „Morgen“ (siehe unten) der völlig entgrenzten Verwertung eines geschundenen Mythos, der liebenswerten Münchner Innenstadt.
Unter den Besitzern der Innenstadt sind angesehene Patrizierfamilien dick dabei:

Das steht nicht in der Studie, in der die immer weniger werdenden privat geführten Läden als Farbtupfer im Einheitsbrei gelobt werden: Neben der Auspressung von Höchstmieten ist die Luxusumwandlung eine andere Methode der brutalen Wertschöpfung. Nur ein aktuelles Beispiel für viele: Peter Inselkammer, einer der großen Immobilienbesitzer Münchens, macht sein Ding beim Platzl Hotel und Pfistermühle. Dem jahrzehntelang im Platzl Hotel ansässigen Trachtengeschäft mit dazugehöriger Schneiderwerkstätte in der Pfistermühle wurde gekündigt – Handwerk und ein Traditionsladen muss verschwinden für maximale Verwertung. „Josefa erfindet sich neu“, soll heißen, neue Edel-Gastronomie im Hotel und Luxussuiten in der Pfistermühle (und die Stadt soll sich gefälligst anstrengen, dass die Bude voll wird).
Die Münchner Innenstadt ist zu einem einzigen Profitcenter geworden.
Sie „gehört“ nicht mehr den Bürger*innen der Stadt, wie man so schön sagt. Da hat sich was in den letzten Jahrzehnten verändert, vielleicht war es einmal anders. Es hat schon heute dazu geführt, dass dieser Kern der Stadt von nicht zahlungskräftigen Bewohnern weitgehend gesäubert wurde, dass er überflutet wird von Kurzurlaubern und Eventbesuchern, dass es nicht mehr geht um den Handel mit lebensnotwendigen Bedarfsgütern sondern um Massenramsch einerseits und dekadentes Geldrausschmeißen andererseits. Der nützliche „historische Dekor“ dieser Profitmaschine wurde in den Nachkriegsjahren wieder aufgebaut und wird jetzt als leistungsloses Erbe in Beschlag genommen und da noch kommerzialisiert wo es geht wie bei der Alten Akademie. Alles ist nur noch Geschäft, Geschäft. Die Innenstadt ist fertig gebaut, gute Substanz wird mutwillig zerstört, wenn es den Buchwert erhöht oder jemand für die neuesten Ansprüche zu zahlen bereit ist. Die Umsätze sollen weiter steigen, die Mieten steigen, die Immobilienpreise steigen – und damit das absehbare noch größere Risiko in der nächsten Krise. Man könnte wieder bescheidener werden. Die Münchner Innenstadt ist nicht der Nabel der Welt, an dem immerfort Geld verbaut werden müsste, nur weil man nicht weiß wohin damit.
Nun wird von Transformation gesprochen, was soll das?
Das ist die penetrante Botschaft dieser durch Steuergeld finanzierten Studie, mit der München auf die nächste Stufe (Endstufe?) der Ökonomie der Maßlosigkeit eingeschworen werden soll. Nicht die Gier der Immobilienbesitzer, der Hotelbetreiber und Handelsgroßkonzerne ist demnach das Problem der Innenstadt, sondern sie wird zu Basis und Zielbestimmung für die Zukunft.
Diese Anmaßung findet einen Höhepunkt im letzten Absatz der Studie. Alle Akteur*innen sollen der Wertschöpfung dienen! Die Besitzer des Bodens und der Gebäude spielen sich als Wirtschaft auf, der das Handeln aller dienen soll – denn niemand sagt ihnen, wie sie etwas für das Gemeinwohl tun sollen, sie bestimmen eh schon und aus dem Rest von Widerstand gegen die Durchkommerzialisierung soll Begeisterung werden, das Fußvolk soll ihnen zujubeln und rufen: was ihr wollt, wollen wir auch, das Geld führe uns, wohin auch die Reise gehe!

Aber es waren ja nicht die Herren der Innenstadt (zu denen sich Benko reihen würde, wäre er selber noch da) die diesen gequirlten Quark, bzw. diese Kommando-Studie geschrieben haben, sondern Beauftragte des Wirtschaftsreferats und der Stadtrat macht sie sich zu eigen. Das ist der Skandal.
