Wahrscheinlich haben Sie schon einige solcher Überschriften gesehen: „Wie es mit Galeria weitergeht“, „Wie es mit SIGNA weitergeht“ and so on. Wie es weitergeht steht natürlich dann nicht drin – weiß ja keiner… Es ist ein enger Kreis, der wirklich weiß, wie der Karren im Dreck steckt – und der lässt sich nicht reinschauen lassen ins innere Gefüge wirtschaftlicher Macht. Ihr Bollwerk heißt Geheimnis, das Staatsgeheimnis, das Bankgeheimnis, das Steuergeheimnis … So hat am 27. Januar der Finanzausschuss des Landtags in einer Geheimsitzung zum Benko-Scherbenhaufen in München getagt, Erkenntnisgewinn für die Öffentlichkeit: Null. Augsburger Allgemeine: „Der Ausschussvorsitzende Josef Zellmeier (CSU) zeigte sich nach der Sitzung auf Anfrage unserer Redaktion beruhigt. ‚Ich sehe insgesamt keinen Anlass zur Sorge. Es ist alles gut geregelt.‘“
Vergessen Sie all das, wenn von guten Regeln, Transparenz, Compliance, Verantwortung, Nachhaltigkeit etc. die Rede ist – der Kapitalismus funktioniert so nicht. Es gilt das Geheimnis, die notwendige andere Seite von Konkurrenz mit allen Mitteln um den größtmöglichen Gewinn: Lügen, Bestechen, Hereinlegen, Vertuschen ist Teil des Geschäfts. Wir anderen als systemhaft Ausgeschlossene bekommen Bankenzusammenbrüche, Wirecard, Benkos Machenschaften, Umweltverbrechen… erst mit, wenn der Kampf um die staatlich geschützte Bereicherung an die Wand gefahren ist – einen geringen Teil der Wahrheit und die Folgelasten. Dass Informationen so geheim gehalten und geschützt werden wie Besitz ist Mitursache der tatsächlichen Ineffizienz des Kapitalismus in Bezug auf das Gemeinwohl. Soviel dazu.
Und wie geht es nun mit der Alten Akademie weiter oder nicht weiter? Wir versuchen eine Antwort.
Benkos Kommerzverwertung der Alten Akademie war 2013 ein Luftschloss und ist es 2024 erst recht.
Der aktuelle Plan geht ja dem Vernehmen nach so: A – SIGNA verkauft das angefangene Erbpachtprojekt an einen Investor, der schnell fertigbaut, weil man will ja kein unschönes Loch. Man hofft auf Münchner Großgrundbesitzfamilien, die das bitteschön übernehmen sollen. B – Wenn sich niemand findet, bevor sich SIGNA zerlegt hat, nimmt der Staat die Reste der Alten Akademie zurück (Heimfall) und sucht dann weiter nach Investoren. A und B heisst: Weiter nach vorhandenem Bauplan mit anderen privaten Investoren. Irgendjemand soll das genau so fertigbauen, wie es sich ein Hochstapler mal vorgestellt hat. Daraus kann nichts werden.
Was wird hier ausgeblendet?
– Was von der Alten Akademie noch übrig ist, ist keine fast fertige Baustelle. Ein Weiterbauen nach bestehenden Plänen dauert mindestens drei Jahre. Was noch steht ist nach dreieinhalb Jahren ein Rohbau, ohne dass irgendetwas fertig wäre. Massive Kellerausschachtungen unfertig, Ebenenänderungen, das Dach… beim Hettlagebau nichts als das Fassadenskelett… Eine verfahrene Baustelle aufgrund von Größenwahn. Und die Immobilien Zeitung schrieb am 12. Januar: „Zudem müsste der neue Eigentümer die Alte Akademie wohl mit dem bisherigen Generalunternehmer Porr weiterbauen. Es werde sich kaum jemand finden, der die Gewährleistung für die bisherigen Arbeiten übernehmen wird, so die einhellige Meinung aus der Münchner Immobilienbranche. Ob Porr allerdings bereit sein wird, zu den mit Signa verhandelten Konditionen weiterzumachen, gilt als fraglich.“
– SIGNA legte 2020 los mit der Berechnung, am Ende 400 Millionen (230 Millionen Pacht + Baukosten) investiert zu haben. Durch die ganzen veränderten Umstände kann geschätzt werden, dass 500 Millionen zusammenkommen würden. Wie man es dreht und wendet, welche Konditionen und wer die aufgelaufenen Verluste trägt, diese Investition ist nach Profitgesichtspunkt jenseits von Gut und Böse. Man könnte die erwartbare Rendite aufschlüsseln: Handelsflächen – erträumte Spitzenrenditen, von welchen Klamottenläden, Auto-Showrooms oder Leerstand? Büroflächen – kein Problem. Luxus-Mietwohnungen – unattraktiv, häufiger Wechsel. Gastronomie – muss erstmal in einem rückwärtigen Hof überleben. Zusammen wird es die Kosten nicht decken, der Glamour ist weg.
Fazit: Immobilienfirmen mögen keine angefangenen Projekte, keine unsicheren Projekte, keine Hängepartien, keine Leichen, da entsteht keine Liebe. Die Münchner Oligarchen sind auch nur knallharte Besitzstandsmehrer. Plan C kann erst kommen, wenn eine ehrliche Bestandsaufnahme die Einsicht erzwingt, dass A und B gescheitert sind.
Wann wird der Staat Bayern eingestehen, dass die Privatisierung mit SIGNA ein Riesenfehler war, dass eine weitere Privatisierung nicht passieren wird und er selbst den Wiederaufbau der Alten Akademie übernehmen muss?
Das kann dauern. Für diese Erkenntnis ist die bayerische Regierung nicht gemacht. Das Jahr 2024 wird mit Investoren-Bettelsuche vorbeiziehen. Wenn alle Möglichkeiten der Ausflüchte, des Wegschiebens durchlaufen sind und der Horizont von strahlenden Rettern leer bleibt, muss noch die zweite Erkenntnis einsickern: eine Fertigstellung des Benko-Luftschlosses durch den Staat selber ist das nächste Ding der Unmöglichkeit. Das folgt erst recht aus dem schon Gesagten. Für den Stadtrat Münchens ist der Umdenkprozess ähnlich schwierig. „Ja keine Bauruine“ – aber keinerlei Besinnung auf den eigenen Anteil an dem Fiasko; man hat es Benko immer recht gemacht wie man es ohne eigenen Anspruch allen Investoren (Spekulanten) recht macht und versteckt sich jetzt.* 2025 und 2026 werden wahrscheinlich vorbeigehen, bis der Entschluss reift, dass die Alte Akademie in staatlicher Hand wiederaufgebaut werden muss, mit neu entstandenem Interesse der Stadt München an einer ihrer wichtigsten historischen Bauten (für diese Annahme braucht es bei dem OB und diesem Stadtrat schon viel Optimismus).
Dann muss das Denken soweit sein, dass es nicht mehr um Kommerz gehen kann, sondern um einen Ort des vielfältigen öffentlichen Nutzens und der Kultur!
2027 kann dann ernsthaft mit konkreteren Überlegungen für eine neue Alte Akademie begonnen werden. Erst dann wird der Weg frei sein und die Forderung nach kommerzfreier Kreativität und Gemeinsinn die Oberhand über kapitalistische Verwertung gewinnen. Aber wer soll es dann umsetzen? Nicht die Chipperfields! Wer (ohne auf Einzelmenschen zu reduzieren) hat dann das kulturelle Format, die fachliche und soziale Autorität wie sie ein Theodor Fischer oder Hans Grässel hatten, oder die großen Baumeister des Wiederaufbaus wie Josef Wiedemann? Um zusammenführen zu können und die schwere Aufgabe zu lösen? Wer wird dann mit einem begeisternden Meisterentwurf überzeugen können? Denn die Ausgangslage vor Ort ist wieder nicht viel anders als nach den Bomben des Krieges, viel mehr als Fassaden ist nach der Privatisierung und dem korrupten Benko-Narrenspiel nicht geblieben.
Nach diesem Blick in die Zukunft (der sehr hoffnungsvoll ist beim heutigen Zustand der Politik, der Bürokratie, auch der passiven Stadtgesellschaft) ist ein Baubeginn in 2029 anzunehmen.
*Nachtrag. OB Dieter Reiter legt am 7. Februar mächtig vor. Die Abendzeitung berichtet: „An Kaufinteressenten für die Alte Akademie mangelt es offenbar nicht. ‚Ich krieg im Wochenrhythmus Angebote‘, berichtete Reiter in der öffentlichen Sitzung (des Planungsausschusses). ‚Ich gehe davon aus, dass demnächst klar wird, wer sie kauft – und er wird sie auch fertigstellen.'“ Na dann …