Den Unken zum Trotze

Es sind Vorarbeiten für ein Fundament in der Kapellenstraße, wo über dem Zugang zur Baustelle ein weiterer Kran errichtet werden soll, notwendig, um in nächster Zeit den abgerissenen Hettlagebauteil zu ersetzen. Wenn es so sein sollte. Mehrere Tonnen Stahl und mehrere Betonmischerladungen, die demnächst wieder zu Bauschutt werden…

Eine Abschweifung – oder doch nicht?

Der Stahlbeton mit seiner Lebenserwartung einiger weniger Jahrzehnte, mit seiner Eingliederung in ein ökonomisches System, das Bauwerke unwiderruflich in eine Ware verwandelt hat, die wie alle Waren umso rentabler ist, je schneller ihr Rhythmus der Neuersetzung ist, der Einfachheit seiner Anwendung, die dazu führt, schnell herzustellen, abzutragen und neu wieder herzustellen, und das ohne langfristige Kalkulation – er trägt mit aller Kraft dazu bei, eine Welt zu schaffen, in der „wir uns selbst nicht mehr wiederfinden“ und in der sich der Bezugsrahmen unseres Lebens schneller als unsere Herzen ändert. Die unglückselige Neigung, nur kurzfristig zu denken, die auch eines der Haupthindernisse ist, sich der ökologischen Katastrophe zu stellen, wird in hohem Maß durch die Verflüssigung selbst von Stein und anderer, dem Anschein nach so fester Bestandteile der Konstruktion verstärkt. So gewöhnt uns der Beton jeden Tag mehr an eine Welt, in der gilt:
„An welchen Eckpunkt wir uns auch zu binden und fest zu verankern gedenken, er ist lose und weicht von uns. Und wenn wir ihn verfolgen, entzieht er sich unseren Griffen, er gleitet und eilt auf ewiger Flucht dahin. Nichts steht für uns still, das ist die Lage, die uns natürlich ist und gleichwohl unseren Neigungen am meisten zuwider läuft. Wir brennen vor Verlangen, einen festen Grund zu finden und einen letzten, beständigen Stützpunkt, um darauf einen Turm zu errichten, der sich ins Unendliche erhebt, aber unsere ganze Grundlage birst und die Erde tut sich bis in ihre Abgründe hinein auf.“ (Blaise Pascal, Gedanken)

Aus: Anselm Jappe, BETON. Massenkonstruktionswaffe des Kapitalismus, Mandelbaum Verlag

Hinterlasse einen Kommentar